Barrierefreiheitsbeauftragte

Formsignal Fahrt! Dieser Artikel ist im Zusammenhang mit dem Verbleib eines Mitstreiters in Sachen Inklusion und Barrierefreiheit entstanden, der ursprünglich wie ich auch im forschungsbegleitenden Arbeitskreis des Projekts „Selbstständig bedienbare fahrzeugseitige Einstiegshilfen“ des Deutschen Zentrums für Schienenverkehrsforschung (DZSF) beteiligt war. Inzwischen wirkt er in Österreich und zwar an der Medizinischen Universität Wien und war in einem Fernseh-Beitrag des ORF 2 aus Wien zu sehen (verfügbar nur bis 29. November 2025, 19:00 Uhr). Es gibt dazu auch einen Artikel auf kobinet-nachrichten.org.

Da also steckt er inzwischen“ dürfte nicht die einzige Erkenntnis daraus sein, ob man ihn nun aus seinem Einsatz bei der Interessenvertretung Selbstbestimmt Leben (ISL) kennt oder nicht.

Barrierefreiheitsbeauftragte in Unternehmen ab 400 Mitarbeitern seit Anfang des Jahres 2025? Nun, das ist Österreich und nicht Deutschland im Jahr 2025. Die hatten da am 30. Oktober 2025 in Wien einen großen Kongress für Barrierefreiheits-Beauftragte. Wie ein erster Schritt wirkt, für den es keine ausgearbeiteten gesetzlichen Vorgaben für die genaue Richtung gibt, konnte man sich im Beitrag schön umschrieben anhören. Besser, als den ersten Schritt noch vor sich haben, ist das allemal. Auch den Begriff „Sensibilisierungsmeile“ daraus könnte man aufgreifen und sich fragen, wo und bei welchem Anlaß dergleichen zielführend umzusetzen wäre.

Partizipation für Menschen mit Behinderungen und deren Organisationen ist in Forschungsprojekten wichtig, mehr noch, wenn es sogar schwerpunktmäßig um Themen geht, die mit Inklusion und Barrierefreiheit zu tun haben. Das war im genannten Projekt schon mal ein guter Ansatz und ein Unterschied zu einem weiteren Forschungsprojekt mit deutlicher Relevanz für fast die gleiche Zielgruppe, bei dem ich an einem Workshop erst gegen Ende des Projekts teilnehmen durfte und bei dem die Belange der Menschen mit Behinderungen nicht sonderlich ausgeprägt berücksichtigt wurden (weil ich selten etwas „unbelegt“ behaupte: Wenn es um künftige Regelungen geht, die auf die Nutzbarkeit von Rollstühlen Einfluß haben, sollten die üblichen Bauarten von Rollstühlen bekannter sein, als das dort aus Vorträgen hervor ging). Beteiligung muß frühzeitig einsetzen, um gute Wirkung erzielen zu können.

Will man in einem Unternehmen erreichen, daß die eigenen Produkte, Dienstleistungen und natürlich auch Produktionsprozesse möglichst Inklusion und Barrierefreiheit mitdenken, dürfte der in Deutschland nicht vorgeschriebene (jedoch auch nicht verbotene!) Ansatz aus Österreich in die richtige Richtung wirken können, wenn er denn im Unternehmen auch ernst genommen wird. „Dadurch sollen Barrierefreiheitsanforderungen bereits in der Planungsphase stärker berücksichtigt werden, was Zeit und Kosten für nachträgliche Adaptierungen spart“ steht als wohl nachvollziehbares Ziel auf einer Website der dortigen Regierung. Nein, es geht in Österreich nicht um die Aufgaben der Behindertenvertrauenspersonen, das ist separat davon zu sehen. Wer im eigenen beruflichen Umfeld als Mitarbeiter erlebt, wie Inklusion und Barrierefreiheit mitgedacht werden, wird beim eigenen Produkt oder der Dienstleistung, an der er beteiligt ist, leichter bemerken, daß das nicht im Sinne des Design for all erfolgt oder noch suboptimal erscheint - und hat sogar jemanden, den er dazu ansteuern könnte (und den er ansteuert, wenn die Unternehmenskultur das hergibt).

Bisher nutzen weder Behörden noch Unternehmen hier im Land in nennenswertem Umfang den Ansatz, der in mehrfacher Hinsicht eine Win-Win-Situation verspricht. Sei es bei der Gewinnung von Arbeitskräften in einem immer enger werdenden Markt (Beschäftigungsquote der Menschen mit Behinderungen, weil das Arbeits-Umfeld nicht angepaßt ist und man keine Vorstellung hat, wie man das hin bekommen kann und vieles mehr), sei es beim Finden eines Jobs für Menschen mit Behinderungen. Siehe das Beispiel vom Anfang. Sei es viel mehr noch bei den eigenen Produkten, die auch in Ländern mit einem ausgeprägteren Anspruch an Inklusion und Barrierefreiheit marktfähig sein sollen. Nur so ein Beispiel: bei der größten Messe für den Eisenbahn-Sektor in 2024 war die Innovation um gute Einstiegsverhältnisse eben nicht von hiesigen Normen, sondern von den für Menschen mit Behinderungen besseren (in dem Fall ADA; das steht für Americans with Disabilities Act) getrieben.

Übrigens wird in Österreich auch die „Zusammenarbeit mit Expertinnen/Experten von Behindertenorganisationen“ ausdrücklich im Gesetz benannt. Vom Ansatz her steckt das übrigens in der UN-BRK, die allerdings bisher auch nicht vom politischen Umfeld verinnerlicht wurde (aktueller Beleg: Bundestags-Drucksache 21/2340 zu „Aktueller Stand der Barrierefreiheit im öffentlichen Personennahverkehr und im Schienenpersonennahverkehr“ vom 21. Oktober 2025; Vereinfacht ausgedrückt: nicht zuständig, keine Zeit für die Erstellung der Antwort, geht nicht wegen selbst geschaffener Regelung - genannt „Nationaler Umsetzungsplan“, dessen Grundlage aktuell von der zuständigen EU-Behörde DG MOVE verändert wird, nichts separat erforderlich, nicht vorgesehen, keine Information vorhanden, Nein; trotzdem lesenswert, wenn man verstehen will, wieso Fortschritte ausblieben und ausbleiben werden).

Die Zusammenarbeit der betreffenden Beauftragten mit Organisationen der Menschen mit Behinderungen, die auf dem betreffenden Gebiet Stärken haben, ist nötig, denn Universalgelehrte gibt es auch in den Reihen solcher Beauftragter nicht. Über solche Kontakte kann dann von Fall zu Fall das beigetragen werden, was spezielleres Wissen erfordert. Let's talk about money (Reden wir also vom Geld): Wobei gratis Beratung für den Support von Firmen und gar zu deren Produkten durch Organisationen der Menschen mit Behinderungen nicht funktionieren kann, wenn es über Kleinkram (Sichtweise eines Experten!) hinaus geht. Das ergibt sich schon mit Blick auf den zeitlichen Aufwand für die jeweiligen Anfragen. Das alles nur mal als Anregung.


Zum Selbst-Lesen:
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Bezüglich der Regelungen in Österreich zu Vertretung von Menschen mit Behinderungen - Barrierefreiheitsbeauftragte siehe auf einer Website vom Bundeskanzleramt Österreich namens Unternehmensserviceportal: https://www.usp.gv.at.

Gesetzliche Grundlage für Barrierefreiheitsbeauftragte in Österreich sind im dortigen Behinderteneinstellungsgesetz (BEinstG) die §§ 22c bis 22g, bei denen man in den § 22h (der nicht mal eine Überschrift erhalten hat) schauen muß, damit man erkennt, daß das auch für die Unternehmen mit mehr als 400 Mitarbeitern gilt (trat mit 1. Jänner 2025 in Kraft).
Siehe: https://www.ris.bka.gv.at.


(bk, 2025-11-01)

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